Nachfolgender Text ist aus dem Juni 2024. LIN25 hat damals bereits Stadtpolitik und Öffentlichkeit informiert. Im Hinblick auf die aberwitzigen Baupläne hat die Stadt sich einfach weggeduckt und alle Hinweise auf gravierenden Probleme ignoriert. Lesen Sie weiter.
Mitten in München-Untersendling: Entmietung a la Palermo
Die Geschichte der Lindenschmitstraße 25 (LIN25) wird immer mehr zu einem Paradebeispiel dafür, wie wenig die Erhaltungssatzung im konkreten Einzelfall tatsächlich zur Strukturerhaltung von Mietwohnvierteln beitragen kann und die Stadt München dabei den mieterfeindlichen Entwicklungen tatenlos zusieht. Das Mietshaus mit elf Mietparteien wurde 2019 von einem Privatbesitzer, der im Haus wohnte, an eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit dem Namen Palermo 01 Estate verkauft. Als die Verkaufsüberlegungen des ehemaligen Vermieters bekannt wurden, gab es in der seither bestehenden Mietergemeinschaft Überlegungen, ob nicht die Stadt München ein Vorkaufsrecht ausüben könne – mit dem Ziel, das Objekt in genossenschaftliches Eigentum zu überführen. Diese Überlegungen wurden mit dem Verweis auf die abenteuerlichen Immobilienpreise zurückgestellt. Die neue Eigentümer GmbH unterzeichnete außerdem eine
Abwendungserklärung. Die Stadt sicherte den Mietern schriftlich explizit zu, dass damit Luxusmodernisierungen und krasse Mietsteigerungen ausgeschlossen sein.
Die erste Aktion des neuen Besitzers bestand dann darin, eine Mieterhöhung zu verlangen. Damals war die Mietergemeinschaft gut vernetzt, man informierte sich. Der Besitzer zog alle Mieterhöhungsverlangen wieder zurück. Drei Mietparteien (von elf) sind allerdings seither ausgezogen, zwei Wohnungen wurden saniert. Eine davon wurde möbliert (und damit mit erheblich reduziertem Mieterschutz) – mit einer entsprechend hohen Miete – vermietet. Die zweite stand nach Renovierung mehrere Monate leer. Sie war für deutlich mehr als 11,50 €/qm (so der von der Stadt München genannte Referenzpreis, der nicht überschritten werden dürfe) auf einem Immo-Portal angeboten. Inzwischen ist sie wohl wieder vermietet ist. Ein Mitglied der Mietergemeinschaft hat beim Sozialreferat angefragt, in wie weit eine qm Miete von etwa 20€/qm, wie sie sich aus dem Inserat auf der Plattform errechnen lässt, mit der damaligen Abwendungserklärung vereinbar ist. Die Stadt hat auf entsprechende Hinweise die Mieter über den Inhalt der Abwendungserklärung informiert. Immerhin. Eigentlich wäre dies die Aufgabe des nicht mehr ganz neuen Besitzers.
Inzwischen läuft ein Prozess der schleichenden Vergraulung der noch im Haus wohnenden Mietparteien. Seit fast einem Jahr wird in diesem Zusammenhang der Speicher ausgebaut (um eine 150-200qm Luxus-Wohnung dem Mietmarkt zuzuführen). Für einige Mieter ist dies mit erheblichen Beeinträchtigungen verbunden. Etwaige Mietminderungsforderungen werden nicht im gegenseitigen
Gespräch geklärt, sondern nach Motto „mal sehen, wer vor Gericht länger durchhält“ anwaltlich ausgetragen. Das Haus ist eingerüstet, durch die Baumaßnahmen auf dem Dach kommt es zu Wassereintritten ins Bauwerk (Dachrinnen sind entfernt), insbesondere im Bereich der Fenster, die Fensterstöcke quellen in verschiedenen Wohnung auf, in zwei Wohnungen sind die Wände feucht – mit entsprechender Schimmelbildung (und weiteren Auseinandersetzungen um Mietminderungen etc.). Das Haus steht unter übrigens auch noch unter Denkmalschutz – auch wegen der klassisch anmutenden alten Holzfenster, die durch die Baumaßnahmen fahrlässig (oder sogar absichtlich) ruiniert werden. Die Denkmalschutzbehörde schaut bislang nur zu. Und später wird der Besitzer zu teuren Modernisierungsmaßnahmen greifen (müssen!), die Fenster sind ja zu Grunde gerichtet – und versuchen, die Kosten dafür auf die Mieten draufzusatteln.
Es kommt noch bunter: Im Zuge der Baumaßnahmen wurde den Mietern aus Versehen der Satelliten-TV-Empfang gekappt, in den die Mieter in Absprache mit dem Voreigentümer gemeinsam investiert hatten. Entsprechender Ersatz ist bis heute nicht erfolgt. Ein Mieter hatte mit den Handwerkern, die die Schüssel entsorgt haben, gesprochen. Nach deren Auskunft sei die Entfernung
der Satellitenschüssel im Leistungsverzeichnis mit dem Bauherren vereinbart. Soviel zum Versehen.
Die Bauleitung für den Speicherausbau hat außerdem bei der Planung einen verbauten Gefahrstoff (Asbest) im Speicher einfach übersehen. Mit der Folge, dass Asbestfasern unnötigerweise und mit unklarer, aber potenziell gesundgefährdender Wirkung freigesetzt wurden. Eine Information durch den Bauherren, die Bauleitung oder die Hausverwaltung erfolgte nicht. Nur durch Zufall wurde der Umstand überhaupt bekannt. Es hieß, das zuständige Amt sei eingeschaltet, ohne zu benennen, umwelches Amt es sich handelt, und wie die Lage zu beurteilen sei.
Überdies plant Palermo 01 Estate eine Baumaßnahme im Hinterhof (der einzige wirklich grüne im Geviert). Eine Anfrage der Mietergemeinschaft im örtlichen Bezirksausschuss kam zu spät, um den Sichtweisen der LBK noch örtlichen Sachverstand hinzufügen zu können. Die Lokalbaukommission hat eine Bauvorfrage im Juni 2023 überwiegend positiv beschieden. Unverständlich ist dabei, dass Belange des Grün- und Baumschutzes eklatant missachtet werden. Gleichzeitig wird in der Stadtplanung die „Schwammstadt“ als Reaktion auf den Klimawandel gepriesen. Den einzigen „Schwamm“ weit und breit gibt es im Hinterhof der Lindenschmitstraße 25.
Diese geplante Nachverdichtung ist nach §34 BauGB zu beurteilen, d.h. nach dem Maß und der Art der angrenzenden Bebauung. Dies ist ein in der konkreten Situation immer auszulegender Paragraph. Im konkreten Fall wird mit dem positiven Vorbescheid auf Nachverdichtung faktisch eine für Sendling
fatale Wohnungspolitik betrieben. Es werden keine Mietwohnungen mit einigermaßen günstigen Mieten entstehen, sondern drei Luxus-Wohneinheiten (im fünfstöckigen Penthouse Stil). Ist dies im Sinn einer auf soziale Belange achtenden Strukturerhaltung? Eine Erschließung des Bauvorhabens würde durch den Keller des Vorderhauses LIN25 erfolgen, was wiederum schlecht vorbereitete
und/oder die verbleibenden Mieter quälende Baumaßnahmen bedeutet. Natürlich kann und soll man nicht alles verhindern, was an Verdichtung und Neubauten geplant wird. Aber hier muss der mit den Zielsetzungen der Erhaltungssatzung im Spannungsverhältnis stehende Neubau im Hinterhof mit der faktisch gleichzeitigen schleichenden Entmietung im Vorderhaus in Zusammenhang gebracht werden. Eigentum verpflichtet, so steht es in der Verfassung – was Palermo 01 Estate macht, spottet dieser Norm.
Einer weiteren Mieterpartei hat die Hausverwaltung übrigens mitgeteilt, dass man die vom Mieter aufgestellte Mängelliste (Satelliten-TV, Asbest, etc.) weder kurz- noch mittelfristig bearbeiten wolle oder könne, man könne dem Ehepaar aber „beim Auszug behilflich“ sein. Man muss sich zweimal die Augen reiben, aber so steht es da. Ist das ein Angebot auf Abfindung oder blanker Zynismus?
Fasst man zusammen: Entmietung in Sendling unter Beteiligung, erstens, einer GmbH, die als Gegenstand ihrer Geschäftstätigkeit laut Handelsregister kein Blatt vor den Mund nimmt: Erwerb, Halten und Verwalten von Beteiligungen aller Art an Gesellschaften jeder Rechtsform sowie der Erwerb, das Halten und Unterhalten von Grundstücken, grundstücksgleichen Rechten, Gebäuden und
Immobilien jeder Art sowie deren Veräußerung, Vermietung und Verpachtung sowie die Vornahme aller jeweils damit zusammenhängenden Geschäfte (das ist eine treffliche Definition von Spekulation inklusiver der geschilderten auf kalte Entmietung hinauslaufenden Planungen). Zweitens, eines den Umbau planenden Architektenbüros, das für die geschilderten Missstände eine klare Mitverantwortung trägt, und, drittens, einer weitgehend untätigen Hausverwaltung.

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